Ein paar Zeilen aus Madagaskar, wo ich eine Freundin besucht habe, die im Bereich der Anpassung an den Klimawandel arbeitet und wo wir, ironischer- oder kohärenter Weise, in einen massiven Zyklon geraten sind.
Ich war bis dahin noch nie zuvor in einem Zyklon gewesen und wusste nicht, dass diese tagelang andauern, meterhohe Wellen, Wind und Regen der unerbittlich niederprasselt. Zum Glück waren wir auf einer kleinen Insel im Norden, wo wir nur den Rand des Sturms mitbekamen, dessen Auge im Osten des Landes lag. Seine Kraft war dennoch genug, um mich nachts wach zu halten und ich mich fragte, ob die Bambusstrukturen des Bungalows nachgeben würden. Die Einheimischen sagten, sie hätten so etwas noch nie in diesem Teil des Landes gesehen. Bäume waren umgefallen, Häuser wurden weggefegt, Reisfelder mit Salzwasser überflutet, Straßen waren zu Flüssen geworden. Später fanden wir heraus, dass 20 Menschen gestorben waren.
In den folgenden Tagen kehrte das Leben langsam zur Normalität zurück und mit ihr verwandelte sich die Insel langsam zurück in ein Paradies. Als die Sonne langsam wieder auftauchte, bot die Natur ihre majestätische Fülle – üppige Vegetation, bewohnt von bunten Vögeln, Blumen und Tieren aller Art, riesige Bäume und unendliche Schönheit, soweit das Auge reicht.
Eines Morgens schwamm ich in unserer kleinen Bucht, umgeben von Mangroven und Palmen und plötzlich schwamm eine Wasserschildkröte an mir vorbei. Ich begegnete dieser friedlichen Kreatur an diesem Morgen bei drei weiteren Gelegenheiten, als wir beide glücklich im Wasser unter der aufgehenden Sonne planschten.
Ich werde diese Tage nie vergessen, erfüllt von Geräuschen, Gerüchen, Begegnungen und Schönheit in endloser Vielfalt. Und doch verließ ich diesen Ort auch mit einem Gefühl der Traurigkeit, wegen dem, was ich erlebt hatte und dem erhöhten Bewusstsein, dass die Tage dieses Paradieses gezählt sind. Zyklone vermehren sich jährlich, sowohl hinsichtlich der Intensität als auch der Größe. Das Korallenriff, von dem sich diese majestätische Schildkröte ernährte, stirbt, da die Meerestemperaturen gestiegen sind.
Unsere Enkelkinder, die zukünftigen Generationen, werden wahrscheinlich nie im Meer schwimmen, um einer Meeresschildkröte auf ihrem Weg zu entdecken, denn in dieser Geschwindigkeit wird das Massensterben aller lebenden Arten, das im Gange ist, nahezu abgeschlossen sein.
Ich hoffe aufrichtig, dass die Angst, die ich in den Nächten des Zyklons empfand, in meinen Knochen bleibt, denn ich möchte, dass sie mich wach hält, wenn ich in mein beschäftiges Leben im geschützten Europa zurückkehre. Wie alle arbeite ich viel, werde müde und dann ist einfach keine Zeit mehr für diese „Umweltangelegenheiten“. Aber genau darin bestehen wir alle- Sie, ich, die Bewohner dieser Insel, die Verstorbenen und die Schildkröten.
Es ist die Illusion einer Trennung, einer Unterbrechung und Unverbundenheit, die diese Verwüstung verursacht.
Zu Hause sind Umweltfragen auf erschütternde Nachrichten reduziert, die vor allem in anderen Teilen der Welt existenziell sind (übrigens hat es dieser Zyklon nicht in die internationalen Medien geschafft). Oft blicke ich faul auf die Berichte der folgenden jährlichen Umweltkonferenz (sind wir bei den Vereinten Nationen COP 22, 23?….Ich komme nicht mehr nach…), et voila.
Ich habe jetzt beschlossen, weniger zu fliegen, meinen Urlaub zu lokalisieren. Ich werde mich auch auf die Zero Waste Bewegung zubewegen und zum Beispiel aufhören, Plastikseifenbehälter (die zu oft im Meer landen) zu benutzen, wenn ein Seifenstück genauso gut funktioniert. Dann gibt es eine Kampagne, um zu verhindern, dass weitere 125 alte Bäume im Park Duden/Forest in Brüssel gefällt werden, die ich unterstützen werde. Denn meine Handlungen, so klein und unbedeutend sie auch scheinen, für die Bewohner dieser Insel, die Schildkröte und alles Leben wichtig sind. Denn die Wahrheit ist, dass es keine Unterteilung gibt. Denn alles Leben, das kommen wird, ist bereits hier bei uns.
